Presseerklärung der Vereinigung Berliner Strafverteidiger zu Gefangenenentweichungen aus der JVA Plötzensee
Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger lehnt die oberflächlichen und von Sachkenntnis weitgehend ungetrübten Forderungen nach persönlichen Konsequenzen des Justizsenators für die jüngsten Entweichungen aus der JVA Plötzensee ab. Die jetzigen Vorkommnisse sind auch absehbares Resultat der verfehlten Personal- und Sparpolitik der Vorgängerregierungen des letzten Jahrzehnts. Deren Fehlleistungen sind weder dem Offenen Vollzug als Vollzugsform noch dem jetzigen Justizsenator anzulasten.
Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger hat ebenso wie die Rechtsanwaltskammer Berlin die langjährige Sparpolitik der Senate im Justizbereich wiederholt kritisiert. Auch unter dem CDU-Senator Heilmann wurde in den fünf Jahren seines Wirkens der Personalschlüssel in den Justizvollzugsanstalten nicht einmal im Ansatz an die Mindestanforderungen eines verantwortungsvollen Strafvollzuges und dessen tatsächliche Erfordernisse angepasst.
Tatsächlich kann erst angesichts der aktuellen Personalplanung des jetzigen Senators erstmals wieder Hoffnung auf Besserung aufkeimen. Damit ist keinesfalls gemeint, dass Justizpersonal nur insoweit vorhanden sein müsse, als es gelte, Ausbrüche zu verhindern: Nicht nur gesetzliche, sondern auch rational vordringliche Aufgabe eines aufgeklärten Strafvollzuges ist die Resozialisierung der Gefangenen. Berlin praktiziert zwar seit Jahren erfolgreich den Offenen Vollzug, ist indes traditionell ein Schlusslicht unter den Bundesländern, was die Zahl vorzeitiger Entlassungen aufgrund günstiger Prognosen für Gefangenen vor Ende ihres Vollzuges angeht. Dies ist direkte Folge der permanenten personellen Unterausstattung der Vollzugsanstalten durch die Vorgängerregierungen, welche bis heute eine adäquate Betreuung und Dokumentation der Behandlung der Gefangenen verhindert. Statt wohlfeiler Rücktrittsforderungen aus den Reihen derjenigen, welche diese Zustände maßgeblich mitzuverantworten haben, wäre es an der Zeit einen parlamentarischen und haushalterischen Konsens für einen verfassungsgemäßen Strafvollzug herbeizuführen, der gleichermaßen den Ansprüchen der Gefangenen und der Gesellschaft Rechnung und dann auch konsequent dafür Sorge trägt, dass entsprechende finanzielle Mittel und Personal bereitgestellt werden. Dies schuldet die Stadt nach unserer Auffassung nicht zuletzt auch ihren Vollzugsbediensteten, die unter schwierigsten Bedingungen und in Unterbesetzung einen immer noch bewundernswerten Einsatz zeigen.
Berlin, den 3. Januar 2018
Der Vorstand