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Erklärung der Berliner GenStA im Abgeordnetenhaus zum Fall Maja T. – mehr Fragen als Antworten

Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft (GenStA) hat sich zu den Vorgängen betreffend die Auslieferung von Maja T. im Berliner Abgeordnetenhaus erklärt. Die Erklärung wirft dabei aber mehr Fragen auf als sie beantwortet. Die Angelegenheit bedarf daher weiterer Aufklärung durch das Parlament und kann mit den bisherigen Antworten der GenStA keinesfalls als abgeschlossen gelten.

Erwartbar war die Erklärung der GenStA dahingehend, dass man ja formale Garantien aus Ungarn bekommen habe, man vor allem als GenStA ja nichts vom Antrag bei dem BVerfG gewusst habe und dass es dann, als man von diesem erfahren habe, leider zu spät gewesen sei, man keine Einflussmöglichkeiten mehr gehabt habe. 

Aufzuklären sind im Fall Maja T. aber gerade deswegen die dieser Aktenlage vorgelagerten Fragen: 

1.
Zuvorderst aufzuklären ist die Frage, wie es denn zu diesem sehr auffällig schnellen Vorgehen kam, das es der GenStA im Ergebnis unmöglich machte, in den von ihr verantworteten Vorgang  noch einzugreifen.

Insoweit gab die GenStA selbst in ihrer Pressemitteilung vom 28.06.24 an, dass sie  die Auslieferung „des*der Betroffenen seitens der Generalstaatsanwaltschaft Berlin umgehend veranlasst“ habe.

Presseberichte bestätigen zudem weiterhin, dass die GenStA das eilige Vorgehen des sächsischen LKA selbst nach einem Hinweis auf weitere rechtliche Schritte, unter denen die GenStA wohl demnach zumindest auch die Anrufung des BVerfG als mögliche Variante erkannt hat, noch ausdrücklich gedeckt habe. So heißt es etwa im Tagesspiegel dazu: „Das LKA machte mit Rückendeckung der Generalstaatsanwaltschaft weiter. Tenor: Es gebe keine Rechtsmittel und eine Verfassungsbeschwerde habe keine aufschiebende Wirkung.“

2.
Wieso hatte man also trotz der sich insoweit geradezu aufdrängenden Sachlage nicht selbst im Blick, dass hier noch verfassungsrechtliche Fragen im Raum stehen? 

Um es mit den Worten des Kollegen RA Gazeas gegenüber LTO zu sagen: „Außerordentliche Rechtsmittel zum BVerfG seien in Auslieferungssachen nahezu zum Standard geworden, weil das Gesetz kein weiteres ordentliches Rechtsmittel gegen die Entscheidung zulasse. ‚Dies wissen – selbstverständlich – die zuständigen Generalstaatsanwaltschaften ebenso wie die mit Auslieferungen betrauten Polizeibehörden‘, so Gazeas. ‚Das Vorgehen im Fall T. kann ich nicht anders bewerten als den – am Ende erfolgreichen – Versuch, eine gerichtliche Entscheidung, die im Sinne der GenStA ergangen ist, sofort zu vollstrecken, bevor das BVerfG ihm einen Strich durch die Rechnung macht. Anders ist nicht zu erklären, warum in einem Fall, in dem die Festnahme im Dezember 2023 erfolgte und die Zulässigkeitsentscheidung zur Auslieferung erst ein halbes Jahr später, so viel Zeitdruck bestanden haben soll, dass binnen Stunden mit der Auslieferung begonnen werden sollte‘, so der Anwalt. Aus seiner Sicht müsse ‚das Verhalten der Generalstaatsanwaltschaft bei Licht betrachtet nicht nur als rechtswidrig erklärt werden, sondern auch Konsequenzen haben'“.

3.
Auch deswegen ergeben sich aus der an den Tag gelegten Eile noch mehr Fragen:

Demnach wurde die Abschiebung per Hubschrauber durchgeführt. Hubschrauber für derartige Einsätze stehen allerdings auch nicht einfach so mitten in der Nacht bereit. Es scheint sich also um eine bereits im Voraus geplante Aktion gehandelt zu haben. Zumal die Übernahme durch wohl zunächst die österreichischen Behörden ja auch organisiert werden musste. Und das wird mitten in der Nacht auch nicht spontan bewerkstelligt worden sein. Wohin wurde Maja T. denn eigentlich geflogen? 

4.
Auch das Argument der „Sicherheitsrisiken“ erklärt bei Licht besehen nichts in Bezug auf die Eile. Es erklärt allenfalls, warum man keinen Transport über Land durchführen wollte. Warum der Transport per Hubschrauber im Rahmen einer Nacht- und Nebelaktion eingeleitet werden musste, erklärt sich dadurch nicht. Genau besehen erklärt er sich dann eigentlich erst recht nicht: Denn wenn man schon den aufwändigen, aber wohl aus Behördensicht sicheren Lufttransport wählt – warum musste es dann so schnell gehen?

Maja T. wurde ja nicht von irgendwo aus ausgeliefert, sondern aus einer JVA. War die JVA, in der Maja T. seit längerer Zeit bereits einsaß, auf einmal so unsicher geworden, dass nicht einmal der nächste Morgen abgewartet werden konnte?

Und selbst wenn, was schon abwegig erscheint: Hätte es dann nicht die Möglichkeit getan, Maja T. zunächst in einen Gewahrsam näher an der deutsch-österreichischen Grenze zu fliegen, aber mit der Übergabe noch bis zum Nachmittag oder wenigstens bis zum Mittag zuzuwarten? Oder hätte es nicht andere, den zustehenden Rechtsschutz wenigstens ermöglichende, Alternativen gegeben? Um einfach zu zeigen, dass man an das nötige Zeitfenster für einen möglichen Grundrechtsschutz auf Behördenseite gedacht hat?

5.
Wir betonen, dass wir uns hier nicht zu dem eigentlichen Fall von Maja T., betreffend die der Auslieferung zugrunde liegenden Vorwürfe, positionieren.

Gleichwohl sind wir der Ansicht, dass es hier um Grundrechte geht, die der Staat auch und gerade in derartigen Fällen achten muss.

Gerade wenn sich eine Person in Haft befindet, ist es eben der Staat selbst, der für die Person verantwortlich ist – zuvorderst die Justizbehörden. Es ist der Staat selbst, der sich dann in die Doppelrolle begeben muss, nicht nur einseitig seine Interessen zu vollziehen, sondern auch zugleich für die Möglichkeiten zu sorgen, Grundrechte in Anspruch nehmen zu können.

6. 
Ausdrücklich distanzieren wir uns von Gewaltaufrufen unter anderem gegen die Justiz in diesem Zusammenhang.

Es handelt sich Presseberichten zufolge dabei zwar um Aufrufe auf indymedia, die ihrerseits kritisch zu prüfen sind. Denn jede(r) kann bei indymedia irgendetwas posten. Es ist dabei aus der Vergangenheit bekannt, dass dort auch bewusst Desinformationen gestreut werden, die vermutlich wiederum aus einer ganz anderen Seite des politischen Spektrums stammten. Die Tagesschau hatte darüber bereits vor Jahren berichtet. Es gilt daher, diese Informationen kritisch zu überprüfen und auch insoweit nicht (vor)eilige Schlüsse zu ziehen.

Unbeschadet dessen stehen wir derartigen Inhalten fern.

7.
Es geht uns an dieser Stelle auch nicht um die Unterstützung irgendeines politischen Spektrums. 

Es geht uns ganz konkret um die Frage, ob die Strafverfolgungsbehörden, insbesondere die Berliner GenStA, sich ihrer eigenen Verpflichtung durch die Grundrechte gewahr sind, die auch ohne Einschaltung von Anwälten besteht. Außerdem geht es uns um die Frage, ob und wie die Behörden dieser Verpflichtung hier gerecht geworden sind.

Grundrechtsschutz beginnt nicht erst mit einer Verfassungsbeschwerde: Diese setzt vielmehr eine Grundrechtsverletzung voraus. 
 
8.
Es bleibt auch nach den Erklärungen der Berliner GenStA der Eindruck bestehen, dass hier ein Exempel statuiert werden sollte. Es bleibt der Verdacht, dass ein Mensch mit Grundrechten zum Objekt der Behörden gemacht wurde, damit man zeigen kann: Wir können mit Dir jetzt machen, was wir wollen und das nutzen wir in unserem Sinne.

Wehret den Anfängen. Mit dem aus den Antworten der GenStA sprechenden Verständnis von einem korrekten Vorgehen darf sich deswegen niemand zufrieden geben, dem Grundrechte etwas bedeuten. Und zwar unabhängig davon, wo man sich politisch verortet.  

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