Zum Tod von Tahir Elçi
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor drei Tagen wurde Rechtsanwalt Tahir Elçi, Präsident der Rechtsanwaltskammer Diyarbakir, in Diyarbakir/Türkei erschossen.
Durch die Prozessbeobachtung in dem sog. KCK Verfahren in Istanbul war uns der Kollege Elçi persönlich bekannt – er war dort als engagierter Verteidiger der angeklagten Anwälte aktiv.
In dem letzten Verhandlungstermin im Oktober 2015 wurde seine eigene vorläufige Festnahme einige Tage zuvor thematisiert. Hintergrund dieser Festnahme Elçi`s war eine Äußerung im Rahmen einer Fernsehdebatte in der er die Ansicht vertrat, dass die Kurdenfrage nicht damit gelöst werden könne, dass man die PKK als terroristische Vereinigung bezeichne, sondern er der Auffassung sei, man müsse die PKK als bewaffnete politische Organisation begreifen. Daraufhin erging gegen ihn ein Festnahmeersuchen wegen des Vorwurfs der Propaganda für eine terroristische Vereinigung. Er wurde nachts in den Räumen der Anwaltskammer Diyarbakir festgenommen und nach Istanbul verbracht – es gab massive Proteste der türkischen Anwaltschaft, der Erlass eines Haftbefehls wurde abgelehnt – allerdings unterlag er seitdem einem Ausreiseverbot. Zudem wurde er von Seiten regierungsnaher Zeitschriften als Terrorist dargestellt. Bereits dieser Umgang mit unserem Kollegen hat uns geschockt, umso mehr sind wir nun von seinem Tod betroffen.
Tahir Elçi hat mehrfach erfolgreich die Verurteilung der Türkei vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erwirkt und war ein unermüdlicher Streiter für die Menschenrechte. Er war ein mutiger Anwalt vor dem wir größten Respekt haben.
Im Namen der Strafverteidigervereinigung haben wir gemeinsam mit dem RAV ein Beileidschreiben an die Anwaltskammer Diyarbakir verfasst. Am morgigen Tag wird eine Traueranzeige in zwei türkischen Zeitungen, Cumhüriyet und Gündem, erscheinen, an der wir uns gemeinsam mit den Anwaltsorganisationen die seit Jahren den unwürdigen Prozess gegen unsere Kolleginnen und Kollegen in der Türkei beobachten, beteiligen.
Mit freundlichen kollegialen Grüßen
Der Vorstand
Berlin, den 01.12.2015